Tag 1 – Von Děčín nach Mezná

20,5km, +597/-425m Höhenmeter

…der erste Tag beginnt, ein Montag. Mit leichtem Nieselregen bei 17°C. Na toll. 8:05 ist Abmarsch in Graupa, aber erstmal noch auf einen Kaffee mit Matze. Dort bleibe ich dann bis kurz vor 10 hängen und um meinen Zug in Pirna noch zu schaffen, fährt mich Matze mit dem Auto zum Bahnhof. Danke nochmal dafür!

Im Zug nach Bad Schandau kommt die Sonne raus, ich entscheide mich daher doch für den längeren Weg und fahre bis Děčín weiter. Umsteigen muss ich in Bad Schandau sowieso.
Im Zug lese ich die erste Etappenbeschreibung im Kammweg-Führer intensiver durch. Klingt vielversprechend. Um mich herum wird tschechisch gesprochen. Ich freue mich sehr, das wieder zu hören. Ist jetzt 20 Jahre her, dass ich die Sprache gelernt habe. Habe sie leider nie wirklich benutzt. Mein Kopf ist irgendwie angenehm leer. Keine schweren Gedanken, eher überhaupt keine. Corona macht gleichgültig.

Ab Bahnhof Děčín gehts erstmal an der Elbe und unterhalb der Schäferwand (Pastýřská stěna) lang. Über die Brücke und zum nächsten Geldautomaten, 4000 Kronen abheben. Dann rein in den nächsten Supermarkt, einem Billa, Wiener und 3 Hörnchen kaufen. Dazu ein paar Riegel. Der Markt ist sehr vertraut (=westeuropäisch) eingerichtet und hat nichts mehr mit den früher üblichen tschechischen Lebensmittelläden gemeinsam. Kurz überlege ich, meine Würste an der Fleischtheke zu holen, greife aber doch zur Plastikpackung mit Bio-Würsten. Ich muss noch einiges lernen.

Mittagessen gibts auf dem Masaryk-Platz auf einer Bank im Schatten, mit Blick auf das halbfertige Denkmal. Und mit Bettler, der von mir 2 € will. Habe ich leider nicht, Ärgere mich aber, ihm nicht doch aus dem Rucksack noch 50 Kronen rausgekramt zu haben. Dazu hätte ich aber den Rucksack auseinandernehmen müssen. Als ein Auto nebenan parkt, hat er aber ein neues Ziel und trollt sich.

Dann geht’s durch den Lesopark aufwärts. Endlich grün und raus aus der Stadt. Ich folge im Wesentlichen dem Kammweg-Führer. Es geht vorbei an Loretánská vyhlídka (Loretoruh) hinauf zum Kvádrberk (Qaderberg, 289m) und zur sogenannten Kaiseraussicht. Ein Aussichtspunkt folgt jetzt dem nächsten, immer dem rot markierten Weg 0311 folgend. Auf Sněžnická vyhlídka (Schneebergaussicht) folgt die Vyhlídka Labská stráž (Aussicht Elbwarte). Ich streife Ludvíkovice (Loosdorf) und lasse das Kriegerdenkmal an der Wendeschleife nur flüchtig betrachtet liegen. Den Abstecher zur Růžová vyhlídka (Rosenkammaussicht) mache natürlich. Beeindruckende Aussicht auf die Elbe. Hier lagert schon eine Gruppe Jugendliche in ihren leichten Hängematten zwischen den Bäumen (Muss mir auch mal so eine beschaffen). Ich verabschiede mich von der Elbe, die ich vermutlich erst auf dem Kamm vom Riesengebirge wiedersehen werde.

Entgegen dem Kammweg-Führer laufe ich nicht direkt nach Bynovec (Biensdorf) sondern folge der roten 0311 noch ein Stück weiter bevor ich nach Arnoltice (Arnsdorf) abbiege. Den hübschen Ort durchquere ich und folge der Straße nach Janov.

Nach Arnoltice passiert mir wiederholt ein Fehler mit meiner Karten-App: ich interpretiere eine etwas dick gemalte Höhenlinie als Weg. Den Irrtum bemerke ich erst beim reinzoomen in der Nähe des vermuteten Abzweigs, der sich als gehbar erweist. Also muss ich bis Janov (Jonsdorf) laufen und entscheide mich dort auch noch für die Straße statt dem etwas höher gelegene und längeren Wanderweg Richtung Růžová/Mezná über den oberhalb liegenden Golfplatz.
Sonne, Straße und Autos sind anstrengend. Eine weitere Fehlentscheidung, hätte den etwas längeren Wanderweg nehmen sollen. Die Füße sind schwer, auf die leichten Wanderschuhe hab ich vorher schon gewechselt. Gott sei dank hab ich sie eingepackt.

Am Abzweig nach Mezná zelten Indianer. Der Weg hinab zur Edmundova soutěska (Edmunds-Klamm) geht über Wurzeln und Steine steil bergab. Das erste Mal nutze ich die Wanderstöcke.

Die Klamm ist recht voll mit Menschen. Aber sehenswert. Noch ein kurzer steiler Anstieg und ich bin in Mezná (Stimmendorf). Mezná wirkt nach der recht ruhigen Wanderung wie ein Rummelplatz. Familien, Biergarten, Spielplatz…

Erstes Tagesziel erreicht. Ich laufe direkt ins Hotel, checke ein und dusche. Dann falle ich aufs Bett und spüre angenehmes Kribbeln in den Beinen. Wärme und angenehme Schwere durchziehen meinen Körper. Liegenbleiben oder Abendbrot Essen gehen?

Ich tue, was ich am besten kann: ich mache einen faulen Kompromiss. Eine Wurst und ein Hörnchen vom Mittag sind noch da und schnell verdrückt. Nebenbei schaue ich in den Kammweg-Führer und suche Quartier Nummer 3 für übermorgen. Ich buche ein etwas schäbig aussehendes Hotel in Chřibská, was aber direkt am Ende der übernächsten Tagesetappe liegt.

Dann kommt Durst und Appetit auf ein Bier.  Ist auch erst um sechs und die Sonne noch voll da. Also ziehe ich mich doch wieder an und verlasse das Zimmer.
Gegessen hab ich ja jetzt schon was, also gibts nur ein helles Bier von der jungen Bedienung am Tresen. Ich setzte mich vors Hotel in die Abendsonne und mache die ersten Notizen während ich trinke. Der Wind ist kalt, aber die Sonne angenehm. Also hole ich doch noch Fotoapparat und Jacke und zottel nochmal los in den Ort.

Ich lande am Ende bei einem weiteren Bier und gebackenen Käse (Smažený sýr) im nächsten Gasthaus mit Blick auf den Sonnenuntergang hinter dem großen Winterberg.

Jetzt wird es wirklich Zeit fürs Bett. Es ist extrem ruhig in der Nacht. Draußen rauscht nur der Wind, die Luft ist klar. Morgen um 8 gibts Frühstück. So einfach ist das.

Erkenntnis des Tages: Faule Kompromisse haben eine recht kurze Halbwertszeit.