Tag 7 – Von Kryštofovo Údolí nach Javorník

24,7km – 1018m hoch – 716m wieder runter

Der Busfahrer besteht darauf, dass wir das Frühstück draußen einnehmen. Die jungen Tschechen haben sich wirklich ins Zeug gelegt: frisches Brot, Wurst, Käse, Tomaten. Dann bringen sie auch noch für jeden 3 Wüstchen und Rührei nach draußen. Ich habs nicht geschafft, das aufzuessen. Wir zwei sind offenbar die einzigen Frühstücksgäste. Am Ende zahle ich 772 Kronen für Frühstück, Übernachtung sowie das Essen und die 5 Bier von gestern abend.

Das Wetter kann nicht besser sein. Die Sicht ist super und der Ještěd (Jeschken, 1012m) grüßt schon am Horziont. Wir verabschieden uns und starten getrennt in Richtung Jeschken. Ich möchte dann weiter nach Javorník, der Busfahrer will nach Reichenberg.


Ich laufe die Straße durch Christophsgrund wieder nach oben. Heute wird der Weg wieder einfacher, denn ich folge einfach wieder dem Fernwanderweg E3. Der verläuft hier deckungsgleich mit dem alten Kammweg und auch dem neu ausgezeichneten „Hřebenovka“ um Reichenberg herum. Der Weg führt dabei über die Bergrücken von Bukovka (Buchberg, 672m), Málý Ještěd (Kleiner Jeschken, 754m) und vorbei an den Dánské kameny (Dänsteinen). Dann beginnt der steile Aufstieg. Als Ansporn lugt der Fernsehturm gelegentlich majestätisch durch die Bäume. Unterwegs helfe ich noch einem Mann, seine Begleiterin in einer Art Sport-Rollstuhl den Berg auf einem besonders fiesem und steinigen Steilstück hochzuziehen. Ich bin beeindruckt. Er hätte sie ja auch im Auto bis hoch fahren können, hat sich aber statt dessen mit riesiger Hingabe und voller Freude selbst vor den Wagen gespannt.

Ich nehme noch einem kleinen Umweg zum Kamená vrata (Felsentor) und kürze von dort zurück an einem Bach durchs Unterholz ab. Nach 3 Stunden stehe ich oben auf dem „König zwischen Elbe und Schneekoppe“ (Caspar David Friedrich).

Es ist grandios. Die Aussicht ist riesig, aber noch viel besser ist, den vorbeiflanierenden Menschen hier oben zuzuschauen. Zum Beispiel das Pärchen. Er mit Zigarette im Mund, Schlabbershirt über der gut gefüllten Bierwampe, kurze Shorts und Sandalen. Sie: Kettchen, Ohrringe, Jäckchen und Oberteil schön aufeinander abgestimmt. Hochhackige Schuhe. Den Bauchansatz gut kaschiert, die Haare hübsch hochgesteckt und geschminkt. Ein Gesamtkunstwerk, sie hat in den trotzdem nicht zu übersehenden 50 Jahren gelernt, wie das geht. Er nicht. Zwei Welten, krasser Gegensatz. Die meisten Biker sind einwandfrei an der untersetzten Statur und ihrem Benehmen als Deutsche zu erkennen. Die meisten Radfahrer sind Tschechen. Die Familien sind durch ihre lauten Kinder alle als Tschechech zu erkennen. Wanderern sieht man ihre Nationalität nie an, komisch.

Ich beginne mit dem Abstieg, hinter der Leitplanke der Straße führt ein Geröllfeld nach unten. Die Karte weist da auch einen Pfad aus. Mir folgt ein Pärchen mit Hund, eine Familie mit Kindern kommt mir entgegen. Scheint durchaus Bedarf an Abenteuer da zu sein.

Ich komme an Skiliften vorbei und treffe weiter unten wieder auf den Mann mit der Rollstuhlfrau. Er lacht immer noch ausgelassen, während er seine Partnerin hochzieht. Wir kommen kurz ins Gespräch , er spricht sogar recht gut deutsch – mit holländischem Akzent.

Ich folge dem Kammweg. Es geht über Wiesen und Felder oben lang mit Ansichten, die so auch in Österreich sein könnten. Nur die Bauden sind weniger und sehen auch anders aus. Das ist aber angenehm. Ich komme am Javorník an die Bergstation der Seilbahn und folge der Skipiste runter zu Adressangabe von Booking.com. Sollte nicht mehr weit sein. Ich laufe bis zum Ortseingang von Horní Dlouhí Most und finde kein Hotel, dafür meckert das Handy wegen leerem Akku. Klasse. Ich laufe zurück zur Talstation der Seilbahn und frage am Infopunkt. Die Dame weist mit der Hand wieder den Berg hoch zum Javorník. Mist. Ich überlege kurz, ob ich die Seilbahn nehme, stapfe dann aber doch zu Fuß wieder hoch.


Nach 30 Minuten stehe ich am Hotel, dem Riesenfass. Direkt am Kammweg, es wäre so einfach gewesen, wenn die Adresse bei booking.com richtig wäre.

Der Wirt ist nicht da, also setze ich mich in den Biergarten und koste das 10°-Bier aus der Stadtbrauerei in Turnov. Die kleine Kellnerin spricht offenbar ein paar brocken Deutsch und freut sich sehr darüber, das ausprobieren zu können. Der Chef kommt, ich checke ein. Nach einer ausgiebigen Dusche gibt es Abendbrot. Der Chef spendiert ein Bier wegen dem Umweg durch die falsche Adressangabe (Nummer ist 352 statt 350). Kleiner Unterschied, macht aber 4km extra. Diesmal gibt’s das 12° Bier. Auch lecker.

Da ich noch die 5 Bier von gestern in Erinnerung habe, ziehe ich mich ins Zimmer zurück. Was will ich auch im Gastraum machen, wenn ich nix drinke? Noch eine Cola mehr geht nicht, Wasser brauch ich nicht, Bier will ich nicht. Es ist ein Dilemma. Würde gerne ein bißchen tschechisch reden, aber mit wem? Die Kellnerinnen haben beide zu tun, die Gäste sitzen eingeigelt an ihren Tischen.

Also Fernseher an. Ich zappe bis nach 10 die tschechischen Kanäle durch. Das Programm ist schlimmer als in Deutschland. Die Filme sind zu schnell, da verstehe ich nix. Talkshows bieten zu viel Slang. Einzig bei Dokus habe ich eine Chance, etwas zu verstehen.

Erkenntnis des Tages: Traue nicht allem, was du im Internet liest.