2023/08 Dachstein Super Ferrata im Schnee

Was gibt es schöneres im Sommer, als Berge und Klettersteige? Richtig. Berge und Klettersteige im Schnee.

Es ist August und die Unterkunft am Dachstein für drei Nächte gebucht. Der Plan ist, mit leichtem Gepäck den Aufstieg zum Dachstein über den Steinerweg zu versuchen. Ein Tag wird schon passen vom Wetter her. Die Prognosen ändern sich täglich, schließlich regnet es bei Ankunft und für den nächsten Tag ist 20cm Neuschnee angesagt. Der Steinerweg (1000m, V+) wird zum Pichlweg (V, 800m) reduziert und um einen Tag verschoben. Wird schon nicht so schlimm sein.

Am kommenden Tag schneit es auf dem Dachstein, an der Talstation kommen einzelne Flocken an. Ich fahre mit der Bahn hinauf und erkunde im Schneesturm den Dachsteingletscher. Es ist kaum was zu erkennen und ohne GPS ist eine Orientierung nahezu unmöglich. Ich spüre, wie es 1954 der Heilbronner Schulklasse ergangen sein muss, die her verunglückt ist. Die Seetaler Hütte ist von 30m aus kaum noch zu erkennen. Der Ausstieg vom Johann-Klettersteig auf der Dachsteinwarte ist genauso eingeschneit wie der Einstieg in den Schulteranstieg vom Dachstein.

Eine Orientierung im Schnee ist nur entlang des Hauptweges ohne GPS möglich. Da mein Handy nicht voll geladen ist, will ich nichts riskieren und nicht allzulange im Schneesturm bleiben. Es sind 90km/h Wind gemeldet, also breche ich auch den Aufstieg zum hohen Dachstein wieder ab. Dafür grabe ich mich dann durch den Schnee den Hunerschartensteig nach unten. Der Einstieg ist gut zugeschneit aber mit Grödel finden meine Schuhe Halt. Wintererfahrung am Klettersteig hab ich ja etwas. Den verschneiten Skywalk passiere ich und verspüre keine Lust, den heute zu machen.

Etwa 300 Höhenmetern weiter unten wird es wieder heller. Und plötzlich ist auch wieder Grün statt Weiß zu erkennen. Schön, wenn die Natur wieder Farbe bekommt.

Am folgenden Tag sind die Berge immer noch weiß, an eine Kletterroute ist nicht zu denken. Wir sagen auch den Pichlweg ab. Ich nehme dafür den Aufstieg über die Klettersteige Anna, Johann und Schulteranstieg in Angriff. Wie weit ich komme, werde ich sehen. Anna scheint von Weitem schneefrei. Johann und vor allem der Dachstein haben über Nacht nichts von ihrer Schneedecke verloren. Ich starte spät, um 8:30 am Parkplatz der Seilbahn. Genau 2 Stunden später sitze ich auf dem Mitterstein. Die Felsen bis hierher waren nass, es ließ sich aber gut steigen. Von hier aus sieht man, dass der Johann-Steig gut eingeschneit ist. Es sind keine Fussspuren zum Einstieg hin auszumachen. Die drei Kletterer um mich herum brechen hier ab und wollen mit der Seilbahn hinauf. Und eherlich gesagt, überlege ich das auch bis wir zwei verwegene Gestalten im Schnee, an Anna vorbei, zum Einstieg stapfen sehen. Da sie nicht wieder auftauchen, müssen sie ja losgeklettert sein. Also versuche ich das auch und starte um 11:15 vom Mitterstein.

Der Weg zum Einstiegsüberhang ist wenig einladend. Ein kleiner Wasserfall ergiest sich über mich, unentwegt hört man das Rumpeln von kleinen Schneelawinen aus der Südwand, die Sonne taut den dort liegenden Schnee und lockert immer wieder kleine Mengen davon. Ich ziehe die Grödel über die Bergstiefel, die geschlossenen Handschuhe an und zurre den Rucksack fester. Dann los.

Wand und Seil sind zum Teil vereist. An manchen Stellen sieht man nicht recht, wo ein Platz für die Füße ist. Oft ziehe ich mich nur am Seil hoch und suche verzweifelt mit den Schuhen einen Halt. Da ich den Steig schon kenne, weis ich leider auch was ich noch vor mir habe.

An zwei Stellen ist es kritisch, dort ist im Schnee irgendwie kein Standpunkt für die Füße zu finden und die Seilführung erforderte Arm- und Handkraft die zu dem Zeitpunkt nur noch knapp vorhanden ist. Irgendwie geht es aber doch. Hilfreich ist, dass vor mir tatsächlich zwei Leute aufgestiegen sind. Tiefe Trittlöcher verraten mir so vorher die Stellen, wo unter dem Schnee sowieso kein Fels zu erwarten ist.

An mehrerern Stellen sorgt Schmelzwasser von oben oder im Bereich des Steigwegs für Nässe. Immer wieder lösen sich auch oberhalb kleine Mengen aus Schnee und fallen talwärts. Steinschläge beobachte ich aber keine. Ansonsten war alles gut zu bewältigen. 14:45 stehe ich schließlich auf der Dachsteinwarte, Knapp 3h hab ich vom Einstieg an gebraucht, bin aber durchaus geschafft.

Ich starte direkt durch und steige über die Schulter auf den Dachstein. Der Schulteranstieg führt größtenteils am Nord- und Westhang entlang und ist entsprechend vereist. Die Spuren verraten hier, dass heute kaum jemand oben war. Zwei Leute kommen mir absteigend entgegen, ansonsten ist niemand hier. Ich ziehe mich irgendwie hinauf und stehe dann doch relativ plötzlich und überrascht vor dem Kreuz, was festlich geschmückt und mit ausgbreiteten Armen den Kletter empfängt.

Ich hatte irgendwie gehofft, dass das Kreuz vom Schnee der letzten Tage etwas behalten hat. Der Anblick hat mich dann aber doch unverhofft getroffen. Überwältigend schön glänzt der Eisbehang in der Sonne. Majestätisch wacht es über Gletscher und das Ennstal. Zum Glück hat auch niemand versucht, das Gipfelbuch herauszuholen, das hätte einen Teil der Pracht zerstört. Auch auf dem Gipfel sind sehr wenig Spuren zu sehen. Viel war hier oben heute nicht los, obwohl der Gletscher unten voll mit Menschen war.

Aus Zeitgründen entscheide ich mich für den Abstieg über Randkluft und Gletscher. Ich erreiche die letzte Gondel um 17:30 und fahre mit tiefer Zufriedenheit wieder ins Tal.